Automobile Männerträume aus dem Grünen

Allein schon die Namen einiger Autohersteller lassen die Freunde PS-starker Sportwagen in Verzückung geraten. Ferrari gehört definitiv dazu, denn Ferrari gilt als Mythos in der Sportwagen- und Motorsportszene. Wer nicht weiß, wie diese automobilen Männerträume im Stammwerk Maranello (Italien) produziert werden, stellt sich wahrscheinlich eine High-Tech-Werkshalle in kühlem Design vor. Doch die Realität sind ganz anders aus: Viele große Pflanzen dominieren das Erscheinungsbild der Ferrari-Produktionsstätte, die eher an ein überdimensioniertes Gewächshaus erinnert.

Formel Mensch

Produktionshalle im Ferrari-Stammwerk Maranello (Italien) Die Montage der pro Jahr knapp 4.000 Fahrzeuge mit dem springenden Pferd, dem cavallino rampante, erfolgt inmitten von üppigen Pflanzen, von denen einige bei uns üblicherweise im Wohnzimmer oder – wenn man Glück hat – im Büro stehen. Was auf den ersten Blick ungewöhnlich wirkt, gehört zu einem wohldurchdachten Konzept des Konzernchefs Luca di Montezemolo: In Anlehnung an die Erfolge in der Königsklasse des Motorsports, der Formula Uno (Formel Eins), rief der Konzerchef vor etwa elf Jahren das Mitarbeiterprogramm Formula Uomo, also Formel Mensch, ins Leben. Das Ziel dieses Programms ist es, optimale Arbeitsbedingungen für die Ferrari-Mitarbeiter zu schaffen. Ein wesentlicher Teil davon ist wiederum die Gestaltung der Arbeitsplätze, der Kantinen sowie des gesamten Werksgeländes. Di Montezemolo ist überzeugt: „Die Qualität unserer Produkte kann nur dann gut sein, wenn auch die Qualität des Arbeitsumfelds gut ist. Dazu gehört auch, dass unsere Mitarbeiter erleben, dass wir uns um die Umwelt kümmern, denn eine gesunde Umwelt ist schließlich die Voraussetzung für gute Lebensqualität. Alles das führt letztlich dazu, dass unsere Beschäftigten ihre Arbeit nicht als bloße Verpflichtung ansehen, sondern Spaß daran haben und hochmotiviert sind.“

Pflanzen am Fließband

Produktionshalle im Ferrari-Stammwerk Maranello (Italien) Zur Erreichung seines Ziels, zufriedene und motivierte Mitarbeiter zu haben, scheut Luca di Montezemolo weder Mühen noch Kosten. Im Jahr 2004 beauftragte er den renommierten Architekten Jean Nouvel, die neue Produktionshalle zu entwerfen und zu gestalten. Nouvel erlangte unter anderem für die Oper von Lyon, die Galerie Lafayette in Berlin und den Torre Agbar in Barcelona internationale Anerkennung. Bei der Planung der Ferrari-Werkshalle ließ sich der französische Architekt von den Faktoren Licht, Luft, Pflanzen, Sauberkeit, Funktionalität, Erholung und Temperaturregelung leiten. Das Ergebnis ist eine lichtdurchflutete 21.000 Quadratmeter große Halle, die in die Bereiche Montage der 8- und 12-Zylindermodelle, Fahrzeugtests, Entwicklung von Prototypen, Büros, Konferenzräume sowie Entspannungszonen unterteilt ist. Insgesamt wurden für die Gestaltung dieser Halle weit mehr als 1.000 Pflanzen und Bäume gepflanzt. Wie auch in den anderen Bereichen des Werksgeländes wurden dafür überwiegend heimische Pflanzen verwendet, die in der Region des Firmensitzes Modena vorkommen, um damit die enge Verbundenheit des Unternehmens mit der Region auszudrücken. So wachsen beispielsweise im Garten der Kantine Maulbeerbäume, die im mediterranen Raum traditionell für die Zucht der Seidenspinnerraupen verwendet wurden. Selbst die Produktionsstraßen, in denen die Sportwagen montiert werden, sind mit üppigen Pflanzen gesäumt. Das dient keineswegs nur dazu ein freundliches Arbeitsambiente zu schaffen, sondern hat durchaus einen praktischen Nutzen: Die Pflanzen absorbieren die Arbeitsgeräusche in der Montageabteilung und sorgen so für mehr Ruhe in der Produktion und den angrenzenden Abteilungen. Außerdem schaffen die Pflanzen eine angenehme Raumtemperatur und damit ein gutes Arbeitsklima in jeder Hinsicht.

Boliden aus der grünen Natur

Produktionshalle im Ferrari-Stammwerk Maranello (Italien) Von außen wirkt die Werkshalle so, als stünde sie auf einem Pflanzensockel und erinnert damit eher an ein überdimensioniertes Gewächshaus als an eine Produktionshalle für Sportwagen. So viele Pflanzen brauchen natürlich auch Pflege und müssen regelmäßig gegossen werden. Auch dafür hat das Formula Uomo-Programm Vorsorge getroffen. Die Mitarbeiter sollen sich einfach nur an den Pflanzen erfreuen und sich neben ihrer Arbeit nicht auch noch um die Pflege kümmern müssen. Die Wasserversorgung der Grünanlagen wird durch ein geschlossenes Bewässerungssystem gewährleistet. Darüber hinaus wurde der in Italien führende Fachbetrieb “Paesaggistica Toscana“ mit der Pflege beauftragt. Dieser Betrieb versorgt auch die Pflanzen der vatikanischen Gärten sowie den Schlossgarten des Königsschlosses von Caserta in Neapel. Ungeachtet dieser hochprofessionellen Pflanzenpflege fühlen sich die Mitarbeiter für das Grün in ihrer Arbeitswelt verantwortlich. Sobald eine Pflanze erste Anzeichen einer Krankheit zeigt, wird die zuständige Abteilung informiert. Diese hohe Identifikation mit der Begrünung am Arbeitsplatz belegt eindrucksvoll, wie wohl sich die Beschäftigten in ihrer grünen Arbeitsumgebung fühlen.

Pflanzen gehören zum guten Leben

Für das Gesamtkonzept Formula Uomo mit seiner üppigen Innenbegrünung stellte der Vorstandsvorsitzende Luca di Montezemolo allein im Jahr 2009 vier Millionen Euro bereit. Die naturnahe Gestaltung aller Arbeitsbereiche mit Pflanzen bedeutet für die Ferraristi viel mehr als nur optimale Arbeitsbedingungen; für sie ist es ein wichtiger Beitrag zur Steigerung ihrer Lebensqualität. Pflanzen, so hat der Konzernchef erkannt, gehören zum guten Leben dazu. Die Idee, die Arbeitsplätze eines Technikunternehmens zu begrünen, erfordert gleichermaßen Mut und Weitsicht. Luca di Montezemolo hat beides bewiesen und der Erfolg gibt ihm Recht.